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Mittwoch, 27. Juni 2007

"Ineffabile" (Das Unaussprechbare): Input zum Thema der Hilarii-Gruppe

Zitate aus Pascal Mercier: Nachtzug nach Lissabon

Von tausend Erfahrungen, die wir machen, bringen wir höchstens eine zur Sprache, und auch diese bloss zufällig und ohne die Sorgfalt, die sie verdiente. Unter all den stummen Erfahrungen sind diejenigen verborgen, die unserem Leben unbemerkt seine Form, seine Färbung und seine Melodie geben.

Wenn wir uns dann, als Archäologen der Seele, diesen Schätzen zuwenden, entdecken wir, wie verwirrend sie sind. Der Gegenstand der Betrachtung weigert sich, stillzustehen. Die Worte gleiten am Erlebten ab, und am Ende stehen lauter Widersprüche auf dem Papier.

Lange Zeit habe ich geglaubt, dass sei ein Mangel, etwas, das es zu überwinden gelte. Heute denke ich, dass es sich anders verhält: dass die Anerkennung der Verwirrung der Königsweg zum Verständnis dieser vertrauten und doch rätselhaften Erfahrungen ist. Das klingt sonderbar, ja eigentlich absonderlich, ich weiss. Aber seit ich die Sache so sehe, habe ich das Gefühl, das erstemal richtig wach und am Leben zu sein.

Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können was in uns ist - was geschieht mit dem Rest?

(S. 28/29)

Wenn wir uns aufmachen, jemanden im Inneren zu verstehen - ist das eine Reise, die irgendwann an ihr Ende kommt? Ist die Seele ein Ort von Tatsachen? Oder sind die Tatsachen nur die trügerischen Schatten unserer Geschichten?
(S. 340)

Das Problem ist, dass wir keinen Ueberblick über unser Leben haben, weder nach vorn, noch nach hinten. Wenn etwas gut geht haben wir einfach Glück gehabt.

Wenn wir verstanden haben, dass es bei aller Anstrengung doch reine Glücksache ist, ob uns etwas gelingt oder nicht; wenn wir also verstanden haben, dass wir in allem Tun und Erleben Treibsand sind vor uns selbst und für uns selbst. Was geschieht dann mit all den vertrauten und gepriesenen Empfindungen wie Stolz, Zerknirschung und Scham?

Wenn wir über uns selbst, über andere oder einfach über Dinge sprechen, so wollen wir uns in Worten offenbaren...In diesem Verständnis sind wir die souveränen Regisseure, die selbstbestimmten Dramaturgen, was das Oeffnen unserer selbst angeht. Aber vielleicht ist das ganz und gar falsch? Eine Selbsttäuschung? Denn wir offenbaren uns mit unseren Worten nicht nur, wir verraten uns auch. Wir geben viel mehr preis, als das, was wir offenbaren wollen, und manchmal ist es das genaue Gegenteil.

(411 und 415)

Unser Leben, das sind flüchtige Formationen von Treibsand, von einem Windstoss gebildet, vom nächsten zerstört. Gebilde aus Vergeblickeit, die verwehen, noch bevor sie sich richtig gebildet haben.
(S. 467)

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