Die Spiegelneuronen
Sie wurden erstmals 1996 unter diesem Begriff beschrieben, entdeckt wurden sie jedoch bereits 1992. Diese Art von Nervenzellen erhält ihre Bezeichnung durch ihre "spiegelbildliche" Aktivierungsform: zum einen zeigen sie Aktivität bei der Durchführung eigener willkürmotorischer, zielgerichteter Objektinteraktionen der Hände und zum anderen auch dann, wenn eine gleichartige zielmotorische Handlung von anderen Lebewesen mit zumindest ähnlichen Körperbaustrukturen durchgeführt werden. Im folgenden sollen die spezifischen Bedingungen ausgeführt werden, unter denen eine Aktivierung erkennbar ist, sowie die anatomischen Strukturen, in denen Spiegelneurone im Tierversuch wie auch bei Humanexperimenten nachgewiesen wurden. Mehr Infos: http://www.spiegel-neurone.de
Spiegelneuronen hängen mit dem Denken und mit Gefühlen zusammen.
Hirn Forscher fanden bei Versuchen mit Affen heraus, dass Spiegelneuronen aktiv werden, wenn der Affe bestimmte Geräusche hört, welche für Bewegungen typisch sind. Also, wenn zum Beispiel ein Stock gegen einen anderen Stock schlägt.Nun wurden auch bei Menschen dieses Phänomen beobachtet, das auf Spiegelneuronen schließen lässt. Mit der Kernspintomografie konnte man dieses Phänomen auch bei Menschen beobachten.Allerdings wird dieses Thema unter Forschern noch ziemlich kontrovers diskutiert.
Ein Wissenschaftsteam um Christian Keysers und Valeria Gazzola des Neuro Imaging Center der Universität Groningen, Niederlande www.rug.nl/bcn/nic ,
hat entdeckt, warum sich bestimmte Menschen sehr gut in andere Personen hineinversetzen können, während andere gar kein Einfühlungsvermögen besitzen. Die Fähigkeit hängt laut den Forschern von der Aktivität der Spiegelneuronen im Gehirn ab. Es war bereits bekannt, dass eine niedrige Aktivität der Spiegelneuronen manchen sozialen Defiziten von Autisten zugrunde liegen könnte. Die Forscher konnten nun erstmals nachweisen, dass auch die Aktivität der Spiegelneuronen und somit das Empathieniveau von gesunden Menschen Unterschiede vorweisen können. Die Studienergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Current Biology www.current-biology.com veröffentlicht.
Spiegelneuronen wurden vor zehn Jahren erstmals bei Makaken entdeckt und in späteren Experimenten auch bei Menschen festgestellt. “Spiegelneuronen werden beim Verrichten von Handlungen aktiviert, aber auch, wenn man Aktivitäten von anderen Personen beobachtet”, erklärt Keysers auf Nachfrage von pressetext. In ihrer aktuellen Studie konnten die Forscher zudem erstmals nachweisen, dass es auch “auditive Spiegelneuronen” gibt, die beim Hören eines bestimmten Geräusches aktiviert werden. Ein gutes Beispiel, an dem sich dies zeigen lasse, sei die Coca Cola-Werbung, wobei man nur das Öffnen einer Dose, das Zischen des Getränkes und ein zufriedenes ‘Aaaah’ hört. “Man hört nicht nur die Aktion, sondern man fühlt es in sich - das eigene Gehirn fängt an, genau so zu funktionieren wie das Gehirn derjenigen, denen man zuhört”, so Keysers.
Die neuen Erkenntnisse seien das Ergebnis einer langen Reihe von Experimenten. So zeigte sich bei Experimenten mit Affen, dass viele Neurone sowohl beim Knacken von Erdnüssen sowie bei der rein akustischen Wahrnehmung dieses spezifischen Knirschens aktiviert wurden. Im neuesten Experiment wurde untersucht, ob dieses Phänomen auch auf Menschen zutrifft. “Wir haben sowohl für Mundaktionen, wie etwa Knirschen, als auch für Handaktionen, beispielsweise das Zerreißen von Papier, erforscht, ob die Aktivitäten im Gehirn sich überlappen, wenn man die Handlungen selber verrichtet oder wenn man nur zuhört”, so Keysers gegenüber pressetext. Das haben die Forscher untersucht, indem sie die Gehirnaktivität von 16 Probanden beim Abspielen von verschiedenen Geräuschen in einem Scanner observierten. Es gab tatsächlich eine Überlappung und zwar in der bilateralen temporalen Gyrus sowie in der oberen temporalen Sulcus.
Aus den Experimenten stellte sich auch heraus, dass Menschen mit einem großen Einfühlungsvermögen auch eine höhere Spiegelneuronenaktivität vorweisen. “Das kann zum Beispiel erklären, warum bestimmte Menschen sich keinen gruseligen Film ansehen können, während andere damit keine Probleme haben”, erklärt Keysers im pressetext-Gespräch. Die Forscher werden nun untersuchen, welche weiteren Aspekte unsere aus Empathie hervorgehenden Aktionen beeinflussen können.
Joachim Bauer
Warum ich fühle was Du fühlst
- Intuitive Kommunikation und Das Geheimnis der Spiegelneurone
Über den Inhalt des Buches
Warum können Menschen sich spontan verstehen, fühlen was Andere fühlen und sich intuitiv eine Vorstellung davon machen, was Andere in etwa denken? Die Erklärung dieser Phänomene liegt in den Spiegel- Nervenzellen, einer vor kurzem entdeckten neurobiologischen Sensation. Spiegelzellen unseres Gehirns versorgen uns mit intuitivem Wissen über die Absichten von Personen, deren Handlungen wir beobachten. Sie melden uns, was Menschen in unserer Nähe fühlen, und lassen uns deren Freude oder Schmerz mitempfinden. Spiegel-Nervenzellen sind die Grundlage emotionaler Intelligenz. Sie sind die neurobiologische Basis von Empathie, Sympathie und sie verleihen uns die Fähigkeit zu lieben. Warum das so ist, lässt sich in Joachim Bauers Buch nachlesen.
Spiegelungsphänomene sind von zentraler Bedeutung für die Aufnahme und Weitergabe von Wissen, denn sie bilden die neurobiologische Basis für das „Lernen am Modell“. Da die Spiegelsysteme unseres Gehirns vorzugsweise erfahrungsbasiertes Wissen speichern, ergeben sich daraus wichtige Hinweise für den Unterricht und das Lernen in der Schule. Spiegelneurone sind das neuronale Format, über das Wissensbestände nicht nur zwischen Personen, sondern auch über die Generationen hinweg weitergegeben werden. Insofern ist das System der Spiegelneurone, wie Bauers Buch darlegt, eine Art Gedächtnis der Menschheit.
Durch die Gegenwart anderer Menschen ausgelöste Resonanzreaktionen haben nicht nur psychologische, sondern auch biologische Effekte. Was wir erleben, was uns von Anderen widerfährt, beeinflusst und verändert uns. Wir verändern uns im Antlitz des Anderen. Daraus ergeben sich Fragen nach dem freien Willen und der Bewahrung unserer Identität. Joachim Bauers Buch zeigt, dass wir vielfachen Einflüssen unterliegen, dessen ungeachtet aber - auch aus neurobiologischer Sicht - sehr wohl einen freien Willen haben. Insoweit stimmen die Aussagen des Buches mit Gedanken überein, wie sie Jürgen Habermas kürzlich in seiner berühmten Kyoto-Rede geäußert hat.
Spiegelphänome durchziehen die gesamte Biologie, beginnend bei der Erbsubstanz DNA mit ihrer spiegelnd angelegten Doppelstruktur bis hin zu komplexen biologischen Systemen wie dem Menschen. Biologisch angelegte Spiegelung, dies ist die Schlußfolgerung dieses Buches, scheint das „Gravitationsgesetz lebender Systeme“ und ein „Leitgedanke der Evolution“ zu sein. Nicht „survival of the fittest“, sondern „survival of resonance“ ist der tiefe Sinn der Evolution.
JOACHIM BAUER: Warum ich fühle, was du fühlst
Großes Kino mit großen Gefühlen: Hollywood lebt davon, dass wir mit dem Helden vor uns kämpfen, verzweifelt lieben und um unser Leben fürchten. Was uns zu solchen Vorstellungen überhaupt erst befähigt, hat die Neurobiologie jetzt herausgefunden. Denn Gefühle, die wir bei anderen beobachten, werden in uns selber durch so genannte Spiegelnervenzellen ausgelöst. Die Nervenzellen, die etwa für die eigene Angst zuständig sind, werden auch dann aktiv, wenn wir Angst bei jemand anderem beobachten.
In seinem Buch "Warum ich fühle, was Du fühlst" zeigt der Psychotherapeut Joachim Bauer nicht nur, wie diese emotionale Resonanz neurobiologisch funktioniert, sondern auch, welche existenzielle Bedeutung die Spiegelneuronen für unser Zusammenleben haben. Das System der spiegelnden Nervenzellen wurde eher zufällig entdeckt. Durch neue Verfahren können die Neuronen sichtbar gemacht werden, die beim Beobachten von Handlungen und Emotionen aktiv sind. Verblüffenderweise werden z.B. beim Beobachten von Schmerz genau die Nervenzellnetzwerke aktiv, die auch beim selbst erlebten Schmerz feuern. Das heißt, wir erleben den Schmerz eines anderen mit unseren eigenen, für genau diesen Schmerz zuständigen Nervenzellen.
Einfache Spiegelreaktionen begegnen uns ständig im Alltag: Unbewusst imitieren wir Bewegungen und Haltungen eines Gesprächspartners. Hergestellt wird damit nicht nur eine kontinuierliche, gleich laufende Aufmerksamkeit. Die neuronalen Resonanzen versorgen uns auch mit intuitivem Wissen über Absichten von Personen in unserer Nähe, lassen uns nicht nur Handlungsfolgen vorwegnehmen, sondern auch mit dem anderen mitempfinden. Spiegelreaktionen sind die Basis für das Entstehen von Intuition und Empathie. Die Entdeckung der Spiegelneuronen lässt uns jetzt auch die Wurzeln von Empathie, Einfühlungsvermögen und nicht begrifflicher Intersubjektivität verstehen und damit die Grundlage unseres sozialen Zusammenlebens. Das macht die neuronalen Vorgänge auch für die Philosophie interessant.
Thomas Metzinger, Uni Mainz und Frankfurt, Institute for Advanced Studies: "Es ist aber auch so, dass diese Entdeckung für die politische Philosophie und für die Gesellschaftstheorie eine Bedeutung hat, weil sie uns das erste Mal verstehen lässt, wie Intersubjektivität ein historisches Phänomen war, das eine lange biologische Geschichte hat als Vorstufen in unbewussten, nicht sprachlichen, vorbegrifflichen Leistungen. Es ist sozusagen so, dass das Spiegelsystem im Menschen die Bedingung der Möglichkeit dafür ist, dass wir dann später auf einer ganz hohen Ebene uns gegenseitig als rationale Individuen zueinander in Beziehung setzen können."
Verblüffend dabei ist die Erkenntnis, dass unbewusste, automatische Leistungen das Fundament für menschliche Bindungen und gegenseitiges Verstehen sind. Das gibt uns neue Hinweise darauf, wie Gesellschaften überhaupt entstanden sind, d.h., wie Tiere und Menschen gelernt haben, in Großgruppen zusammenzuleben.
Joachim Bauer: "Man kann sagen, dass Spiegelnervenzellen das gemeinsame soziale Format sind, ein neurobiologisch bereitgestelltes Format für sozial geteilte Empfindungen des Handelns, Fühlens und des emotionalen Interpretierens." Die Funktion der Spiegelnervenzellen, d.h das neurobiologische Simulieren von Beobachtungen, kann uns verstehen lassen, wie die biologische Evolution in eine kulturelle Evolution umgeschlagen ist.
Thomas Metzinger: "Was der Affe nicht kann, ist, meine Handlungsweise imitieren. Wir Menschen, das menschliche Selbstmodell, scheinen die Ersten zu sein, die diesen Schritt gemacht haben von der Simulation zur Imitation, d.h. von der ersten automatischen unbewussten Nachahmung zu der Rückabbildung dessen, was wir da erkennen, auf unsere eigene Bewegung." Kinder können nachahmen, was sie vorgemacht bekommen. Das Imitieren ermöglicht uns Menschen vorsprachliches Wissen auf unmittelbare Weise weiterzugeben. Das bedeutet aber auch, dass es in unserem Gehirn Schichten gibt, die überhaupt nur aktiviert werden können, wenn andere Menschen da sind, die gespiegelt werden (und in denen wir uns spiegeln können). Und das sind nicht unbedingt Schichten, die mit bewusstem Denken und mit Sprechen zu tun haben.
Thomas Metzinger: "Also es könnte so sein, dass die Körperempfindung wirklich etwas ist, was nur neuronale Korrelate hat - das körperliche Selbsterleben. Und dass es dann aber eine emotionale, empathische Schicht im Selbstbewusstsein gibt, die man auch als Kind in der Entwicklung überhaupt nur aktivieren, erlernen kann, wenn man sich in einer sozialen Umgebung befindet, die einem Angebote zur Spiegelung macht."
Die oft belächelten, so genannten "soft skills" - jetzt beginnen wir sie in ihrer neurobiologischen Entstehungsgeschichte zu verstehen. Rationalität und Intuition sind keine Gegensätze, sondern Intuition ist ein wesentlicher Bestandteil von Intelligenz. Die Intuition ist die implizite Informationsverarbeitung, die mir nur das Endergebnis bewusst werden lässt: Das ist dann das gute oder schlechte Gefühl, von dem ich nicht genau weiß, warum es so ist ...
Freitag, 2. November 2007
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