Referat zum Buch von Peter Müri "In die Intuition eintauchen", Projekte Verlag, Halle 2011, gehalten am 24. April 2012 im Gasthof Schönbühl
In
die Intuition eintauchen
(Bild 1a) Mit der Zeichnung
von Bruno Peyer auf dem Titelblatt des Buches ist das Thema bereits abgesteckt:
„Intuitiv spüre ich, dass ich zu rational bin.“ Es heisst Verstand und Intuition
als Gegenkräfte (Bild 1b).
Das
Buch geht von zwei Annahmen aus:
1.
Der Mensch ist ein Intuitionswesen, das heisst, die Intuition ist Ihnen in die
Wiege gelegt. 2. Bauchentscheidungen sind nachweislich besser (gemäss Professor
Gigerenzer).
Leider
wird das wunderbare Potenzial der Intuition viel zu wenig genutzt. Die
Intuition ist zwar da, das ziehen die meisten nicht in Zweifel, aber sie
schweigt oft oder meldet sich nur leise und ihre Stimme wird überhört. In
unserer Gesellschaft führt sie zudem ein stiefmütterliches Dasein. Die
Wissenschaft spricht, wenn überhaupt, immer noch abschätzig über sie.
Das Buch geht von diesem
Zustand aus und beantwortet die Frage: Was ist zu tun, damit sich die Intuition
häufiger meldet, und wenn sie sich meldet, besser wahrgenommen wird? Wir bieten
dazu einen Werkzeugkoffer mit 22 Übungen an, welche die Intuition sensibilisieren.
Ich möchte nicht auf diesen Übungs-Katalog
im Detail eingehen und Ihnen die Lektüre des Buches vorwegnehmen. Was ich Ihnen
jetzt anbiete, sind 4 Voraussetzungen, die im Buch nicht genannt sind. Sie
benötigen sie, wenn Sie Ihre Intuition generell entwickeln möchten.
Erste
Voraussetzung: Das eigene Leben leben
Viele sind heute im Beruf,
aber auch im Privatleben, am Anschlag und bei näherem Nachfragen oft unglücklich.
Natürlich sind die gegenwärtigen Umstände schwierig. Um nur drei Belastungen am
Arbeitsplatz, stellvertretend für viele andere, zu nennen:
1. (Bild
2) Die Bedrohung, dass Umsätze und Gewinne in den Keller sausen und der eigene
Job gefährdet ist.
2. (Bild
3) Die Zielvorgaben werden immer höher gesetzt und sind oft unerreichbar.
3. (Bild
4) Wer um seine Position und Ziele kämpft stösst auf unüberwindbare Widerstände.
Als HR-Manager wird Ihnen
diese Situation vertraut sein. Man kann sich damit trösten, dass es allen
gleich geht. Missstände ertragen sich auf diese Weise zwar leichter, aber
behoben werden sie nicht.
Man kann als weitere Möglichkeit
Missstände anprangern, aufdecken und Schuldige suchen. Eine vornehme Aufgabe,
ja für gewisse Kreise sogar ein politisches Ideal, vor allem aber ein
psychologischer Gewinn. Je wirkungsvoller man auf andere mit erhobenem
Zeigefinger zeigen kann, desto mehr Recht besteht, unglücklich zu sein und
andere dafür verantwortlich zu machen. Unsere Zeit, geschürt durch Medien und
Politik, scheint für diese Anklage-Strategie eine Vorliebe zu besitzen (deutliches
Räuspern).
Die Probleme werden allerdings
dadurch nicht gelöst. Im Gegenteil, der Weitblick verengt sich, der
Problemlöser ist auf ein schmales Gesichtsfeld fixiert. Kreative Lösungen sind
unwahrscheinlich. Wer die Lösung im Umfeld sucht, schaut von sich weg und
verliert sich selbst aus den Augen. Daraus entsteht ein bedeutender Nachteil
für unser Vorhaben: Die Intuition wird unter dem Blick nach aussen blind und
stumm
Es kommt mir vor, wie wenn solche
Leute in einem goldenen Käfig sitzen, in der Meinung, dass sie frei sind (Bild 5,
dazu gibt es im Buch die Übung 17). Im Käfig eingeschlossen, haben Sie keinen
Zugang zu ihren Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten. Zwar arbeitet der
Kopf wie wild (zB mit Ursachenanalyse), die Gefühle schäumen (zB Verzweiflung),
drehen aber am Ort, und die Intuition bleibt verschlossen. Sie geraten zudem aus
dem seelischen Gleichgewicht. Die drei Dimensionen (Bild 6) Kopf, Herz und
Bauch oder Verstand, Gefühl, Intuition sind gespalten und vor allem nicht
ausgeglichen.
Die Folge sind meist Jammern,
Selbstzweifel und Passivität oder gerade das Gegenteil Rebellion, und Aufstand.
Beide Reaktionen sind unwirksam und schliessen die Intuition noch mehr ein. Leider
neigen wir dazu, in solchen Haltungen zu verharren, gleichsam festzukleben. Denn
imgrunde hat Unglücklichsein eben auch seine seelischen Vorteile (Bild entfernen).
Um aus dieser Erstarrung
auszubrechen, biete ich eine einfache Lösung an. Der Käfig ist nämlich nicht
real, sondern nur virtuell, ein Bild, das ich mir selbst konstruiere, gleichsam
eine Ein-Bildung. Ich kann sie einfach wegnehmen und auslöschen.
Der Hebelarm heisst
Eigenverantwortung. Dieser Schlüssel hat heute Hochkonjunktur und kann
missverstanden werden. Deshalb muss ich diese Behauptung etwas näher erläutern.
Ich bin
ja unglücklich (wenn auch nicht allein). Es ist zunächst mein Leben, das
unglücklich ist. Wenn ich aus dem Unglück herauskommen will, kann ich es
erfolgreich nur für mich tun. Auch wenn wir immer wieder die böse Welt oder
das Schicksal anklagen und sicher auch zu Recht, wissen wir zutiefst, dass die
Verantwortung für mein Gefühl (nicht für die Sachlage) bei mir liegt und
dass das Unglücklichsein aus meinem Ich und aus meiner Weltsicht stammt.
(Bild 7) Dieser Blick gleichsam
zurück auf sich selbst ändert schlagartig den Lebensmodus. Eigenverantwortung
bedeutet nicht, die Last der Welt auf die eigenen Schultern zu laden, sondern
nur wahrzunehmen, was mein Anteil ist. Wenn ich unglücklich bin, muss ich
ehrlicherweise eingestehen, dass ich mir etwas anziehe, was nicht
notwendigerweise zu mir gehört. Mein eigenes Leben braucht nicht unglücklich zu
sein. Denn Leben ist apriori gut, schon allein durch die Tatsache, dass
es dieses mein Leben überhaupt gibt, selbst dann, wenn es mir verpfuscht erscheint.
Sie werden innerlich den
Kopf schütteln, da mein Schluss ihrer Logik widerspricht. Verständlich, denn es ist eben auch eine
psychologische Schlussfolgerung. Ich bin mit bewusst, dass das Aussen
auszuklammern, auf sich selbst zurückzugreifen und sich selbst unabhängig in
den Blick zu nehmen, ein etwas schwieriges Unterfangen ist, vor allem für denjenigen,
der ganz nach aussen orientiert ist.
Es ist nicht einfach, diese
Perspektive zu verstehen. Machen wir einen kurzen Ausflug in die Philosophie.
Ich bin das, was ich bin. Und
die Welt ist das, was sie ist. Ich bin nicht die Welt. Und die Welt ist nicht
ich. Ich sollte von der einen Seite nicht auf die andere schliessen. Beide sind
verschieden. Aber auch: jede Seite ist eben so, wie sie ist. Die Welt draussen
kann ich nicht ändern, Verfügungsgewalt habe ich nur über meine Welt. Nur ich
kann mein Unglücklichsein verändern. Das ist der Kern der persönlichen
Eigenverantwortung.
Interessanterweise wirkt
dieser Blickwechsel sofort wie eine Injektion gegen Ohnmacht und Resignation.
Wenn ich einmal akzeptiere, dass ich selbst mein persönliches Unglück erzeuge,
kann ich es auch bearbeiten und handhabbar machen. Damit verliert es den Schmerzcharakter
und wird zur Chance.
Der Gewinn ist riesig. Plötzlich
ist waches Bewusstsein da. Der Blick auf die Welt wird freier und weiter. Ich
sehe mehr, klarer und ganzheitlicher (Bild 8). Kopf, Herz und Bauch stehen im
Gleichgewicht. Der dominierende Kopf und die brausende Gefühlswelt reduzieren
sich auf ein Normalmass. Ich sehe die Welt mit drei gleich grossen, wenn auch
verschiedenen Brillen. Damit ist der Zugang zum Bauch oder zur Intuition offen.
Wir sind nun bereit, in die Intuition einzutauchen.
Zweite
Voraussetzung: Im Jetzt leben
Obwohl die Intuition ins uns
allen angelegt ist, hindert uns offenbar etwas, die Intuition zu nutzen. Was
ist es? Ich meine einmal mehr, es ist der Mensch unserer gegenwärtigen Zeit. Das möchte ich mit einigen Bildern
veranschaulichen.
Bild 9: Wir sind gejagt,
hasten von einem zum nächsten, ein unaufhörliches Tempo hält uns in
Atem.
Bild 10: Der Kopf arbeitet
auf Hochtouren, hunderte Mails sind im Kasten sollen subito erledigt
werden.
Bild 11: Wir sind Sklaven
unserer von aussen gesetzten Termine.
Bild 12: Der Chef oder
Kunde setzt uns unter Druck und will
keine Ausrede hören.
Bild 13: Die Arbeit ist ein
100 Kilo Klotz am Bein.
Bild 14: Viele werden erdrückt
von der Last.
Ich glaube nicht, dass ich
schwarz gemalt habe, obwohl es Leute gibt, welche die Burn-out-Gefahr
herunterspielen und die Angst der Angestellten vor Entlassung verniedlichen.
Die Human-Ressource-Manager werden sicher ihre Klienten ein Stück weit in den
Bildern wiedererkennen.
Unser Zeichner, Bruno Peyer,
hat diese Situation hinterfragt (Bild 15): Stress verhindert offenbar
Intuition. Gilt auch die Umkehrung? Verhindert Intuition Stress? Die Antwort
heisst ja, aber nur bedingt, wenn unser zweiter Grundsatz die Voraussetzung
dafür schafft.
Dessen Thema ist die innere
Ruhe (Bild16). Gerade diese fehlt den Gehetzten und Gestressten. Selbst die
Pausen sind mit Aktivitäten gefüllt. Das Handy oder Smartphone ist in den Ferien
stets dabei. Die Freizeit ist ebenso geplant und durchorganisiert wie die Arbeitszeit.
Echter Freiraum, Innehalten, das Horchen nach innen fehlen.
Weshalb fällt es uns so schwer,
anzuhalten und zu reflektieren? Das grösste Übel liegt an unserem
Zeitverständnis. Darauf möchte ich näher eingehen.
Vergangenes und Zukünftiges deckt
im Berufsalltag die Gegenwart zu. Das, was war, und das, was sein soll, stehen
im Blickfeld und haben Priorität. Das Jetzt wird nicht gelebt. Dabei ist das
Jetzt das einzige, wo Leben wirklich und echt stattfindet. In der Vergangenheit
ist das Leben vorbei und in der Zukunft noch nicht da. Vergangenheit und
Zukunft sind imgrunde rationale Konstrukte und nicht Leben.
Der intuitive Mensch hat
gelernt, im Jetzt zu leben. Jetzt – jetzt – jetzt! Und schon ist das Jetzt
vorbei, und es folgt das nächste Jetzt. Um in diesen Zustand zu gelangen, muss allerdings
die Vergangenheit losgelassen und die Zukunftsplanung gestrichen werden.
Die Atmung ist eine gute
Metapher dafür. Ausatmen ist Loslassen, das Loslassen der Vergangenheit. Die
folgende Atempause bedeutet Seinlassen, der Zustand, in dem die Intuition
aufsteigt. Atemholen ist Kommenlassen und veranschaulicht das Zulassen des
Neuen, so wie es ungeplant ankommt.
Auch ein TGV, der durch die
Landschaft rast, kommt einmal zum Anhalten. Der Körper wird rebellieren, wenn
die Seele zwischendurch nicht zur Ruhe kommt. Deshalb verlangt unsere erste Übung
zwingend das Einüben des Anhaltens. Das Rezept heisst (Bild 17): einen Ruheplatz
einrichten, wo man nicht gestört wird, diesen regelmässig aufsuchen und einmal
angekommen, sich selbst Raum geben und eine Zeitlang still werden
Sie werden einwenden: Dazu
habe ich keine Zeit. In der Tat, Zeit ist kostbar, Zeit ist Geld. Wer hat schon
Zeit? Zeit besteht aus Minuten und Stunden, die erfasst und abgerechnet werden
müssen. Aber bedenken Sie: damit ist nur eine Seite der Zeit ausgeleuchtet,
nämlich Chronos, die messbare Uhr-Zeit. Es existiert jedoch noch eine zweite
Zeitform: Kairos oder die Lebens-Zeit. Sie ist nicht messbar, sondern nur
erlebbar. Minuten können wie Stunden dauern, Stunden wie Minuten verfliegen. Kairos,
die Lebenszeit, wirkt in der Stille und spielt sich immer im Jetzt ab.
Die Befindlichkeit des Hier
und Jetzt kann man einüben. Als Kind war das Leben im Hier und Jetzt natürlich,
als Erwachsene müssen wir es möglicherweise wieder lernen. (Bild 18) Die
bekannteste Methode dazu ist das Entspannen.
Lassen Sie sich von der
Ironie des Bildes nicht verführen. Entspannen bedeutet nicht nach dem Glas
greifen oder ins Bett liegen, sondern die Aufmerksamkeit nach innen zu richten,
den Denkautomaten auszuschalten und die Gefühle fliessen zu lassen. Dazu
bestehen heute viele Methoden und Angebote, die Sie vermutlich kennen und
praktizieren und die ich deshalb gar nicht erwähnen und bewerten will.
In der Ruhe, im
Dolce-far-niente, das der Superaktive bestimmt als unangenehm und fremd
empfinden wird, kommt der Mensch ins Lot (Bild 19). Der Bauch redet am liebsten
aus dieser Stille.
Wer willentlich und
schlagartig in den Jetzt-Modus wechseln kann, gewinnt doppelt. Nicht nur wird die
Intuition wacher, sondern ich begebe mich auf den Weg vom Ich zum Selbst.
Sie erinnern sich an die
Maslow-Pyramide? Über den körperlichen Grundbedürfnissen stehen die Bedürfnisse
nach Sicherheit und darüber die sozialen Bedürfnisse nach Kontakt. Im
Wachstumsprozess nach oben folgen in der Pyramide die Bedürfnisse nach Prestige
und Anerkennung und Macht, die sogenannten Ichbedürfnisse. Wenn diese
befriedigt sind, meldet sich das Selbstverwirklichungsstreben. Das Selbst
ist – so C.G. Jung – der innerste Kern der Persönlichkeit, wo die wahre
Identität sitzt, das Eigentliche.
Lassen Sie mich den
Unterschied von Ich und Selbst kurz erklären! Das Ich sagt: Ich will, ich muss,
ich kann, ich darf nicht. Das Selbst ist reines Sein. In der Entspannung kommt
das Ich zur Ruhe und wird zum Selbst. Die Intuition schöpft aus dieser Essenz,
eine träfe Umschreibung, wie sie vom Esalen-Institut in Kalifornien, wo Maslow
lehrte und ich auch zur Schule ging, gemacht wird. Die Essenz (von lateinisch
esse = sein) repräsentiert das Konzentrat, wir könnten auch sagen, die
Quintessenz der Persönlichkeit. Sie steuert das Leben wahrhaftiger als der
Verstand und die Gefühlsmuster. Und entscheidend: Sie ist die Sendestation von
echten Intuitionen.
Intuitionsbotschaften
stammen aus dieser Tiefe und werden erst hör- oder fühlbar, wenn die vielen Ichs
(wir sind viele!) zurückgelassen werden. Workaholics und Burn-out-Gefährdete
haben diesen Zugang meist nicht. Aber Sie können ihn gewinnen, indem sie Entspannung
trainieren, wie wir es in Übung 2 empfehlen. Es gibt Menschen, die erleichtern
sich diese Konzentration nach innen mit Musik, zum Beispiel mit tibetanischen
Klangglocken. Auch wir bieten im Buch diese Hilfe an. Für die entsprechenden Übungen
können Sie den gesprochenen Text der Anleitung mit dem Musikhintergrund auf dem
Internet unter www.intuitions-training.ch
(Bild 20) abrufen.
(Bild 21) Das Zurückdrehen
des Verstandes mithilfe der Entspannung ist der Kardinalweg im Zugang zu
Intuitionsbotschaften. Ein zweiter Zugang kommt nun hinzu: Das Vorstellungsvermögen.
Ich nenne diese Hilfe „Imagination“.
Dritte
Voraussetzung: Imaginativ leben
Auch dieser Lebensmodus ist
nicht selbstverständlich und nur bedingt in der Berufswelt gefragt. Facts und
Figures sind gefordert. Statistische Beweise und wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse
müssen her. Allerdings beginnt sich neuerdings ein Wandel abzuzeichnen: „Nur
nicht zuviel denken“ proklamiert die NZZ am Sonntag (15. 4. 2012). Offenbar werden
die geschilderten Zusammenhänge zwischen Kopf und Bauch erst ernst genommen,
wenn sie von der Wissenschaft abgesegnet sind. Neurologen haben kürzlich nachgewiesen,
dass unbewusste Gefühle Millisekunden schneller als der Verstand unsere
Entscheidungen beeinflussen. Nur Achtung! Gefühle können trügen und sind Intuitionen
nicht gleichzusetzen. Wenn wir also den Verstand ausschalten, erscheinen nicht
nur Intuitionen, sondern eine Riesenkorb von Gefühlen. Aus dem Gefühlskomplex müssen
die wahren Intuitionen wie Gold beim Goldwaschen ausgesiebt werden.
Das Medium, das die
Abnabelung des Verstandes und das Zulassen von Intuitionen erleichtert, heisst Tagträumen
(Bild 22). Phantasien haben und kreative Bilder zulassen ist uns schon früh,
spätestens in der Volksschule, ausgetrieben worden. Denken, nicht Träumen! Später
wurde Imaginieren jedoch unter dem Titel „Kreativität“ plötzlich wieder
gefordert. Nun nannte man Imaginieren vornehmer „kreativ visualisieren“ (dazu
im Buch die Übung 6), um das alte Tagtraum-Verbot nicht wieder aufzuwecken.
Wir wissen, „ein Bild ist
mehr als ein Bild“ (Buchtitel eines Medien-Pädagogen und gleichzeitig meines
Freundes Christian Doelker). Ein Bild kann tausend Worte ersetzen, und ein Bild
enthält versteckte Informationen, die wir auf Anhieb gar nicht erfassen und nur
unbewusst wahrnehmen.
Eigentlich müssten wir Profis
der Bildsprach sein, leben wir doch in einer Bilderwelt. Jedoch werden wir laufend
von Bildern überflutet und sind mit so vielen, konsumierten Bildern vollgestopft,
dass wir selbst nicht mehr eigene Bilder produzieren. Die Intuition bedarf jedoch
der Eigenproduktion an Phantasie, denn nur in den eigenen, persönlichen
Imaginationen verstecken sich Intuitionsbotschaften.
Deshalb ist es wichtig, wieder
zu lernen, mit offenen Augen zu träumen (auch dazu haben wir im Buch Übungen).
Die Aufmerksamkeit ist dabei sowohl nach innen wie auch nach aussen gerichtet.
Entspannt nehmen wir alle Meldungen aus der Tiefe und aus dem Umfeld wahr und
achten auf Signale, die eine intuitive Erkenntnis sein könnten. Das kann ein
Gesprächsfetzen sein, ein gelesenes Wort, ein inneres Phantasiebild, ein
Mensch, der mir begegnet und eine
Assoziation auslöst, kurz alles, was auftaucht. Je mehr, desto besser. Hier
gilt die alte Brainstorming-Regel: je grösser der Bildhaufen, je reicher die
Anregung, desto eher die Chance, dass eine Meldung aus der Tiefe dabei ist.
Das könnte auch gerade jetzt passiert sein. Zum Beispiel sind Sie mit
einer lebenswichtigen Frage angereist wie: Soll ich mich von meinem Partner
trennen? Soll ich ein eigenes Haus kaufen? Soll ich meine Beziehungsstörung mit
dem Chef klären? Und siehe da, plötzlich stellt sich eine Antwort in Form eines
inneren Wissens ein.
Nehmen wir an, Sie sind
meinen Ausführungen nicht so akribisch gefolgt. Sie haben sich nicht gefragt:
Ist das, was der da vorne sagt, richtig? Macht er Denkfehler? Nein, Sie haben sich
zurückgelehnt und nur halbwegs zugehört. Gut! So blieb die Denkmaschine ausgeschaltet.
Sie haben sich berieseln lassen – dazu ist auch der frühe Morgen sehr geeignet
– und haben der Phantasie Flügeln
verleiht (Bild 23a). Und Sie haben auf einer höheren Ebene gleichsam in die Wolken
abgehoben
Wunderbar! Beim halbwegs
Zuhören ist dann eine Antwort auf Ihre pendente Frage als plötzliches Aha aufgetaucht,
vielleicht angestossen durch ein Bild, durch eine Aussage, vielleicht nur durch
ein Wort. Zwischen dem Auslöser und dem Inhalt des Aha bestand möglicherweise
gar keinen Zusammenhang zu Ihrer Fragestellung. Die Einsicht ist wie aus dem
Nichts aufgestiegen. Die Lösung kam aus einer anderen Bewusstseinsschicht (Bild
23b).
Unser Buch gibt Ihnen für solche
Phantasie-Reisen viele Anregungen. Ein kleiner Trick, der nicht im Buche steht,
kann ihnen helfen, den ständig schwatzenden Verstand stillzulegen und auf
Imaginationsreisen zu gehen. Wenn Sie Ihren Ruheort aufgesucht haben und
entspannt sind, stellen Sie sich einen riesigen Vogel vor, der Sie zu einer
Reise abholt. Sie setzen sich auf seinen Rücken, heben ab und lassen sich
irgendwohin tragen: auf eine Bergspitze, in eine Höhle, an den Arbeitsort in 10
Jahren oder in einen Werkraum, wo Sie ihr Problem von Spezialisten behandeln
lassen.
Ich weiss, rationale
Menschen werden sich dagegen sträuben und einwenden: „Kindergarten“ (höre ich
des Öfteren), „Eso-Gaga“ (wie ein Kursteilnehmer meinte). Firlefanz, Gugus
werden Ihnen Ihre inneren Warnstimmen zurufen. Aber glauben Sie mir, dieser
Umweg über die Imagination hilft. „Träume und Schäume“ sind das Urmaterial oder
der fruchtbare Boden für Intuitionsmeldungen aus dem Selbst. Es lohnt sich,
diesen „Teig“ zu kneten (Bild 24).
Nun folgt die hohe Kunst:
Aus dem Knetmaterial das zu erkennen, was wirklich Intuition ist. Oder mit
einem anderen Bild ausgedrückt (Bild 25), den dicken fetten Fisch an die Angel
zu kriegen, der die Antwort aus der Tiefe auf die Kern-Frage gibt. Zu diesem
Fisch gelangt man mithilfe einer neuen Instanz: „dem kleinen Professor“.
Vierte
Voraussetzung: Auf den kleinen Professor hören
Der Ausdruck stammt aus der
Transaktionalen Analyse (siehe unser Buch: Sich und andere führen, 15. Auflage).
Sie unterscheidet beim Menschen ein Erwachsenen-Ich, ein Eltern-Ich und ein
Kind-Ich und gliedert das Kind-Ich dreifach, zuerst in ein angepasstes, dann in
ein rebellisches und schliesslich in ein intuitives, freies oder kreatives
Kind-Ich. Diese Art von Kind-Ich begegnet uns bei Kindern, wenn diese mehr
merken und mehr wissen als wir Erwachsene und wenn sie Situationen so
klug und präzis interpretieren, dass wir darüber nur staunen können. Diese
intuitive Begabung wird später leider vom Schulwissen und logischen Denken
verschüttet.
Jeder hat den kleinen
Professor jedoch als versteckter Schatz in sich angelegt und kann ihn
freischaufeln. Dazu muss er ihn,
bildlich gesprochen, wie ein Schmuck in der versunkenen Titanic aus der Tiefe
heraufholen. Dieses Bild diente uns als Metapher für die 22 Intuitionsübungen.
Wir betrachten sie als Tauchgang (Bild 26) und gliedern sie in 5 Phasen: Zum
Schwimmen bereit! Ins Wasser! Tauch ab! Tauch tiefer und Tauch auf!
Die Schatzkiste mit dem
kleinen Professor ist also im Schlamm und Dreck der Tiefe vergraben. Mit der Übung
17 und 18 (Bild 26) in der Phase „Tauch tiefer!“ versuchen wir diesen Dreck
wegzuschaffen. Er hat zwei Namen: Moralapostel und Schatten.
(Bild 27) Moralapostel
ist der erhobene Finger des kritischen Eltern-Ichs, der warnt: Das darfst Du
nicht! Das gehört sich nicht! Wir alle tragen eine riesige Pandora-Büchse
solcher Verbote mit uns herum. Sie ist zusätzlich gefüllt mit moralischen
Leitsätzen, die wir im Laufe des Lebens, meistens schon in früher Kindheit, gesammelt
haben: Sei stark! Sei fleissig! Sei höflich! Sei kompetent! Mach keine Fehler! An
diese Antreiber sind wir gekettet (siehe Bild), ohne dass wir es merken. Wir nennen
diese inneren Befehle auch Lebensdrehbuch oder Miniskript (siehe Buch „Sich und
andere führen“).
Der kleine Professor versteckt
sich hinter solchen Formeln und gibt leider diesen alten Parolen stets den
Vortritt. Verhängnisvoll wird es, wenn wir solche verinnerlichten Leitsätze für
Intuitionsmeldungen halten, weil sie als Antreiber viel rascher und häufiger bemerkbar
machen als die echten Intuitionsbotschaften.
Deshalb tun wir gut daran,
diese Pappenheimer unserer Wertewelt kennen zu lernen. Ein Beispiel: „Man läuft
nicht einfach davon und hält durch“, sagt die innere Eltern-Ich-Stimme, wenn
ich daran bin einen Stellenwechsel zu überlegen. Der kleine Professor jedoch wüsste
es besser, aber seine Stimme ist leise und zaghaft. Er flüstert: „Die Zeit für
einen Wechsel ist für Dich jetzt reif.“ Oft verschliessen wir Ohren und Augen,
wenn das Selbst das Mir-Gemässe und das Für-mich-Wahre verkündet. Wir wischen das
innere Wissen aus dem Selbst als irrelevant einfach weg und lassen uns vom
Moralapostel leiten.
Es gibt noch einen zweiten
grossen Dreckhaufen, der die Schatzkiste zudeckt. Wir nennen ihn den Schatten
(Bild 28). Hier speichern sich alle Wertsetzungen und Vorurteile, mit denen der
Mensch die Welt in Gut und Böse einteilt. Wir kommen dem Schatten am ehesten
auf die Spur, wenn wir alle jene Menschen in der Vorstellung vor uns hinstellen,
die wir nicht mögen, die stören und die wir für unmöglich halten oder gar hassen.
Der Mensch schiebt alles, was er ablehnt, von sich weg in die Distanz und in den
Keller des Unbewussten.
Dazu zwei Beispiele: Mir
begegnet ein Schlendrian. Die Nacken-Haare sträuben sich. „Ein unmöglicher Typ“,
sage ich mir, „so bin ich auf keinen Fall“. Oder eine Mitarbeiterin nervt mich,
weil sie sich wie eine Mutter Theresa allen und allem annimmt. „Gar nicht mein
Stil“, denke ich, „wie kann man nur so altruistisch sein“.
Nun wissen wir – wiederum
wissenschaftlich erwiesen – dass jeder in sich einen geheimen „Eichmann“ verbirgt.
(Sie erinnern sich an den berüchtigten KZ Leiter im Holocaust.) Das Milgram Experiment
oder das Stanford Prison Experiment belegen, warum
normale Menschen zu Teufeln werden, die Mitmenschen sadistisch foltern,
wenn man ihnen dazu straflos die Chance gibt. Damit ist bewiesen, dass all das
Negative, das wir in der Welt an anderen Menschen beklagen, auch in unserem
psychischen Keller sitzt und unser Denken und Handeln unbewusst lenkt.
(Bild 29) Die Ausmistung dieses
grausigen Kellers ist eine Lebensaufgabe. Jedoch kann man damit jederzeit
beginnen, je früher desto wirkungsvoller. Versuchen Sie einmal, sich unter den
dunklen Gestalten im Keller umzusehen und sich zu fragen, ob diese miesen Gestalten vielleicht auch einen positiven
Aspekt haben.
Jener Schlendrian, der auf
die Nerven geht, hat doch auch sein Gutes. Er lässt Fünfe grade sein. Manchmal
hilft diese Nonchalance auch weiter. Oder diese klebrige, von Gutmütigkeit und
Hilfsbereitschaft triefende Mitarbeiterin, die zur Nervensäge geworden ist,
könnte eine praktische Helferin werden, wenn sie ernst genommen und sinnvoll eingesetzt
würde. Wer die Arbeit mit dem Wertequadrat kennt, weiss, dass diese Umdeutung möglich
ist und die Einstellung ändert.
Zusammenfassend können wir die
Goldwaschübung so auf den Punkt bringen: Wer seine fixen Ideen kennt, wer seinen
Schatten erforscht hat, gerät weniger in die Falle der lautstarken inneren
Besserwisser und hört die Stimme des kleinen Professors besser (Bild 30).
Zum Schluss sind wir wiederum
bei der zweiten Annahme angelangt, mit der Professor Gigerenzer in seinem Buch
„Bauchentscheidungen“ aufgrund von Recherchen behauptet, dass
Bauchentscheidungen besser ausfallen als jene, die mit viel Denk-Aufwand an
analytischer Abklärung gefunden werden. Aber Achtung! Gehen Sie mit Begriff
Bauchentscheidungen vorsichtig um. Der Bauch repräsentiert nicht etwa die
Gefühlswelt und damit die zweite Dimension. Intuitives, inneres Wissen stammt
aus der dritten Dimension, in der weder logische Gesetze regieren, noch
sich egogetriebene Gefühle tummeln.
Hand auf Herz! Jeder kennt
doch dieses aus dem Nichts aufsteigende Aha! Wie haben Sie denn Ihren wahren
Partner gefunden? Wie Ihre erfüllende Berufstätigkeit? Wie Ihr wirkliches
Daheim? Oder lapidarer: Wie Ihre Garderobe? Ferienfahrten? Ihr Hobby?
Natürlich könnte man jetzt
noch ergänzen, was wir bis bislang übergangen haben. Frauen fällt Intuition leichter
als Männern. Gewisse Experten behaupten sogar von Geburt auf. Meine Erfahrungen
in Unternehmen haben das Gegenteil bewiesen. Männer entscheiden genauso intuitiv
wie Frauen, nur stehen sie vielleicht nicht immer dazu und sind der Intuition gegenüber
kritischer eingestellt.
Sie haben vielleicht
festgestellt, dass Bruno Peyer immer Männer als Intuitionsempfänger zeichnet,
wie zum Beispiel hier (Bild 31). Das liegt daran, dass die Bilder aus früheren
Büchern stammen und an Manager gerichtet sind. Die Lichtquelle der Intuition
(Bild 32) hat nach meiner Meinung nichts mit der Genderfrage zu tun.
(Bild 33) Ob Mann oder Frau,
jeder und jede kann die vier besprochenen Voraussetzungen für die Verfeinerung
des Intuitionsempfangs in gleichem Masse erfüllen:
1. Das
eigene Leben leben. Auf sich selbst schauen.
2. Sich
selbst Raum geben.
3. Der
Phantasie Flügel verleihen.
4. Auf
den kleinen Professor hören.
Auf diesem Weg ist Ihnen das
Buch eine praktische Hilfe. Man kann es wie ein Rezeptbuch benützen. Einmal
dies, einmal jenes lesen, einmal dies, einmal jenes ausprobieren.
(Bild 34) Leider sind die 4-Tages-Kurse
„Life Design“ und „Work-Life-Balance“, die in Südfrankreich 10 Jahre lang stattfanden
und in denen die Übungen getestet wurden
seit 2 Jahren abgeschlossen.
Hingegen besteht noch der
2jährige Ausbildungsgang „Management-Coach-Ausbildung“ (MCA Bild 35), wo
ebenfalls Übungen aus dem Buch praktiziert werden. Der Kurs wird seit 2010 vom
Co-Autor des Buches Thomas Brandenberger geleitet. Für den Herbst 2012 ist sein
dritter Kurs (Nr. 18) ausgeschrieben unter www.brandenberger-beratungen.ch
. Thomas Brandenberger ist auch der Autor der gesprochenen Übungstexte auf www.intuitions-training.ch
Aber – wer weiss - vielleicht
sind Ihnen die 22 Übungen auf 180 Seiten zu mühsam, vor allem weil das Training
nicht ein einmaliger Jakobsweg, sondern ein lebenslanges Unterwegs-Sein bedeutet.
Ich biete Ihnen eine gute Alternative
an (Bild 36). Dieses Buch hier: Peter Müri – „Den Bauch reden lassen“. Wenn Sie
eine klare Fragestellung (keine Entweder-oder-Frage) haben, brauchen sie nur
blind und intuitiv drei aus 22 Archetypen auszuwählen. Das Buch gibt Ihnen eine
klare Antwort, so unglaublich es tönt.
Wenn Ihnen auch das noch zuviel
ist, können Sie als Alternative im Internet auf www.problemcrash.ch gehen und der
dortigen Anleitung folgen (Bild 37).