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Sonntag, 22. April 2012

"In die Intuition eintauchen" - Eine Einführung


Referat zum Buch von Peter Müri "In die Intuition eintauchen", Projekte Verlag, Halle 2011, gehalten am 24. April 2012 im Gasthof Schönbühl




In die Intuition eintauchen
(Bild 1a) Mit der Zeichnung von Bruno Peyer auf dem Titelblatt des Buches ist das Thema bereits abgesteckt: „Intuitiv spüre ich, dass ich zu rational bin.“ Es heisst Verstand und Intuition als Gegenkräfte (Bild 1b).

Das Buch geht von zwei Annahmen aus:
1. Der Mensch ist ein Intuitionswesen, das heisst, die Intuition ist Ihnen in die Wiege gelegt. 2. Bauchentscheidungen sind nachweislich besser (gemäss Professor Gigerenzer).

Leider wird das wunderbare Potenzial der Intuition viel zu wenig genutzt. Die Intuition ist zwar da, das ziehen die meisten nicht in Zweifel, aber sie schweigt oft oder meldet sich nur leise und ihre Stimme wird überhört. In unserer Gesellschaft führt sie zudem ein stiefmütterliches Dasein. Die Wissenschaft spricht, wenn überhaupt, immer noch abschätzig über sie.

Das Buch geht von diesem Zustand aus und beantwortet die Frage: Was ist zu tun, damit sich die Intuition häufiger meldet, und wenn sie sich meldet, besser wahrgenommen wird? Wir bieten dazu einen Werkzeugkoffer mit 22 Übungen an, welche die Intuition sensibilisieren.

Ich möchte nicht auf diesen Übungs-Katalog im Detail eingehen und Ihnen die Lektüre des Buches vorwegnehmen. Was ich Ihnen jetzt anbiete, sind 4 Voraussetzungen, die im Buch nicht genannt sind. Sie benötigen sie, wenn Sie Ihre Intuition generell entwickeln möchten.



Erste Voraussetzung: Das eigene Leben leben

Viele sind heute im Beruf, aber auch im Privatleben, am Anschlag und bei näherem Nachfragen oft unglücklich. Natürlich sind die gegenwärtigen Umstände schwierig. Um nur drei Belastungen am Arbeitsplatz, stellvertretend für viele andere, zu nennen:

1.    (Bild 2) Die Bedrohung, dass Umsätze und Gewinne in den Keller sausen und der eigene Job gefährdet ist.

2.    (Bild 3) Die Zielvorgaben werden immer höher gesetzt und sind oft unerreichbar.

3.    (Bild 4) Wer um seine Position und Ziele kämpft stösst auf unüberwindbare Widerstände.

Als HR-Manager wird Ihnen diese Situation vertraut sein. Man kann sich damit trösten, dass es allen gleich geht. Missstände ertragen sich auf diese Weise zwar leichter, aber behoben werden sie nicht.

Man kann als weitere Möglichkeit Missstände anprangern, aufdecken und Schuldige suchen. Eine vornehme Aufgabe, ja für gewisse Kreise sogar ein politisches Ideal, vor allem aber ein psychologischer Gewinn. Je wirkungsvoller man auf andere mit erhobenem Zeigefinger zeigen kann, desto mehr Recht besteht, unglücklich zu sein und andere dafür verantwortlich zu machen. Unsere Zeit, geschürt durch Medien und Politik, scheint für diese Anklage-Strategie eine Vorliebe zu besitzen (deutliches Räuspern). 

Die Probleme werden allerdings dadurch nicht gelöst. Im Gegenteil, der Weitblick verengt sich, der Problemlöser ist auf ein schmales Gesichtsfeld fixiert. Kreative Lösungen sind unwahrscheinlich. Wer die Lösung im Umfeld sucht, schaut von sich weg und verliert sich selbst aus den Augen. Daraus entsteht ein bedeutender Nachteil für unser Vorhaben: Die Intuition wird unter dem Blick nach aussen blind und stumm

Es kommt mir vor, wie wenn solche Leute in einem goldenen Käfig sitzen, in der Meinung, dass sie frei sind (Bild 5, dazu gibt es im Buch die Übung 17). Im Käfig eingeschlossen, haben Sie keinen Zugang zu ihren Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten. Zwar arbeitet der Kopf wie wild (zB mit Ursachenanalyse), die Gefühle schäumen (zB Verzweiflung), drehen aber am Ort, und die Intuition bleibt verschlossen. Sie geraten zudem aus dem seelischen Gleichgewicht. Die drei Dimensionen (Bild 6) Kopf, Herz und Bauch oder Verstand, Gefühl, Intuition sind gespalten und vor allem nicht ausgeglichen.

Die Folge sind meist Jammern, Selbstzweifel und Passivität oder gerade das Gegenteil Rebellion, und Aufstand. Beide Reaktionen sind unwirksam und schliessen die Intuition noch mehr ein. Leider neigen wir dazu, in solchen Haltungen zu verharren, gleichsam festzukleben. Denn imgrunde hat Unglücklichsein eben auch seine seelischen Vorteile (Bild entfernen).

Um aus dieser Erstarrung auszubrechen, biete ich eine einfache Lösung an. Der Käfig ist nämlich nicht real, sondern nur virtuell, ein Bild, das ich mir selbst konstruiere, gleichsam eine Ein-Bildung. Ich kann sie einfach wegnehmen und auslöschen.

Der Hebelarm heisst Eigenverantwortung. Dieser Schlüssel hat heute Hochkonjunktur und kann missverstanden werden. Deshalb muss ich diese Behauptung etwas näher erläutern.

Ich bin ja unglücklich (wenn auch nicht allein). Es ist zunächst mein Leben, das unglücklich ist. Wenn ich aus dem Unglück herauskommen will, kann ich es erfolgreich nur für mich tun. Auch wenn wir immer wieder die böse Welt oder das Schicksal anklagen und sicher auch zu Recht, wissen wir zutiefst, dass die Verantwortung für mein Gefühl (nicht für die Sachlage) bei mir liegt und dass das Unglücklichsein aus meinem Ich und aus meiner Weltsicht stammt.

(Bild 7) Dieser Blick gleichsam zurück auf sich selbst ändert schlagartig den Lebensmodus. Eigenverantwortung bedeutet nicht, die Last der Welt auf die eigenen Schultern zu laden, sondern nur wahrzunehmen, was mein Anteil ist. Wenn ich unglücklich bin, muss ich ehrlicherweise eingestehen, dass ich mir etwas anziehe, was nicht notwendigerweise zu mir gehört. Mein eigenes Leben braucht nicht unglücklich zu sein. Denn Leben ist apriori gut, schon allein durch die Tatsache, dass es dieses mein Leben überhaupt gibt, selbst dann, wenn es mir verpfuscht erscheint.

Sie werden innerlich den Kopf schütteln, da mein Schluss ihrer Logik widerspricht.  Verständlich, denn es ist eben auch eine psychologische Schlussfolgerung. Ich bin mit bewusst, dass das Aussen auszuklammern, auf sich selbst zurückzugreifen und sich selbst unabhängig in den Blick zu nehmen, ein etwas schwieriges Unterfangen ist, vor allem für denjenigen, der ganz nach aussen orientiert ist.

Es ist nicht einfach, diese Perspektive zu verstehen. Machen wir einen kurzen Ausflug in die Philosophie.

Ich bin das, was ich bin. Und die Welt ist das, was sie ist. Ich bin nicht die Welt. Und die Welt ist nicht ich. Ich sollte von der einen Seite nicht auf die andere schliessen. Beide sind verschieden. Aber auch: jede Seite ist eben so, wie sie ist. Die Welt draussen kann ich nicht ändern, Verfügungsgewalt habe ich nur über meine Welt. Nur ich kann mein Unglücklichsein verändern. Das ist der Kern der persönlichen Eigenverantwortung.

Interessanterweise wirkt dieser Blickwechsel sofort wie eine Injektion gegen Ohnmacht und Resignation. Wenn ich einmal akzeptiere, dass ich selbst mein persönliches Unglück erzeuge, kann ich es auch bearbeiten und handhabbar machen. Damit verliert es den Schmerzcharakter und wird zur Chance.

Der Gewinn ist riesig. Plötzlich ist waches Bewusstsein da. Der Blick auf die Welt wird freier und weiter. Ich sehe mehr, klarer und ganzheitlicher (Bild 8). Kopf, Herz und Bauch stehen im Gleichgewicht. Der dominierende Kopf und die brausende Gefühlswelt reduzieren sich auf ein Normalmass. Ich sehe die Welt mit drei gleich grossen, wenn auch verschiedenen Brillen. Damit ist der Zugang zum Bauch oder zur Intuition offen. Wir sind nun bereit, in die Intuition einzutauchen.



Zweite Voraussetzung: Im Jetzt leben

Obwohl die Intuition ins uns allen angelegt ist, hindert uns offenbar etwas, die Intuition zu nutzen. Was ist es? Ich meine einmal mehr, es ist der Mensch unserer gegenwärtigen Zeit.  Das möchte ich mit einigen Bildern veranschaulichen.

Bild 9: Wir sind gejagt, hasten von einem zum nächsten, ein unaufhörliches Tempo hält uns in Atem.

Bild 10: Der Kopf arbeitet auf Hochtouren, hunderte Mails sind im Kasten sollen subito erledigt werden.

Bild 11: Wir sind Sklaven unserer von aussen gesetzten Termine.

Bild 12: Der Chef oder Kunde  setzt uns unter Druck und will keine Ausrede hören.

Bild 13: Die Arbeit ist ein 100 Kilo Klotz am Bein.

Bild 14: Viele werden erdrückt von der Last.

Ich glaube nicht, dass ich schwarz gemalt habe, obwohl es Leute gibt, welche die Burn-out-Gefahr herunterspielen und die Angst der Angestellten vor Entlassung verniedlichen. Die Human-Ressource-Manager werden sicher ihre Klienten ein Stück weit in den Bildern wiedererkennen.

Unser Zeichner, Bruno Peyer, hat diese Situation hinterfragt (Bild 15): Stress verhindert offenbar Intuition. Gilt auch die Umkehrung? Verhindert Intuition Stress? Die Antwort heisst ja, aber nur bedingt, wenn unser zweiter Grundsatz die Voraussetzung dafür schafft.

Dessen Thema ist die innere Ruhe (Bild16). Gerade diese fehlt den Gehetzten und Gestressten. Selbst die Pausen sind mit Aktivitäten gefüllt. Das Handy oder Smartphone ist in den Ferien stets dabei. Die Freizeit ist ebenso geplant und durchorganisiert wie die Arbeitszeit. Echter Freiraum, Innehalten, das Horchen nach innen fehlen.

Weshalb fällt es uns so schwer, anzuhalten und zu reflektieren? Das grösste Übel liegt an unserem Zeitverständnis. Darauf möchte ich näher eingehen.

Vergangenes und Zukünftiges deckt im Berufsalltag die Gegenwart zu. Das, was war, und das, was sein soll, stehen im Blickfeld und haben Priorität. Das Jetzt wird nicht gelebt. Dabei ist das Jetzt das einzige, wo Leben wirklich und echt stattfindet. In der Vergangenheit ist das Leben vorbei und in der Zukunft noch nicht da. Vergangenheit und Zukunft sind imgrunde rationale Konstrukte und nicht Leben.

Der intuitive Mensch hat gelernt, im Jetzt zu leben. Jetzt – jetzt – jetzt! Und schon ist das Jetzt vorbei, und es folgt das nächste Jetzt. Um in diesen Zustand zu gelangen, muss allerdings die Vergangenheit losgelassen und die Zukunftsplanung gestrichen werden.

Die Atmung ist eine gute Metapher dafür. Ausatmen ist Loslassen, das Loslassen der Vergangenheit. Die folgende Atempause bedeutet Seinlassen, der Zustand, in dem die Intuition aufsteigt. Atemholen ist Kommenlassen und veranschaulicht das Zulassen des Neuen, so wie es ungeplant ankommt. 

Auch ein TGV, der durch die Landschaft rast, kommt einmal zum Anhalten. Der Körper wird rebellieren, wenn die Seele zwischendurch nicht zur Ruhe kommt. Deshalb verlangt unsere erste Übung zwingend das Einüben des Anhaltens. Das Rezept heisst (Bild 17): einen Ruheplatz einrichten, wo man nicht gestört wird, diesen regelmässig aufsuchen und einmal angekommen, sich selbst Raum geben und eine Zeitlang still werden

Sie werden einwenden: Dazu habe ich keine Zeit. In der Tat, Zeit ist kostbar, Zeit ist Geld. Wer hat schon Zeit? Zeit besteht aus Minuten und Stunden, die erfasst und abgerechnet werden müssen. Aber bedenken Sie: damit ist nur eine Seite der Zeit ausgeleuchtet, nämlich Chronos, die messbare Uhr-Zeit. Es existiert jedoch noch eine zweite Zeitform: Kairos oder die Lebens-Zeit. Sie ist nicht messbar, sondern nur erlebbar. Minuten können wie Stunden dauern, Stunden wie Minuten verfliegen. Kairos, die Lebenszeit, wirkt in der Stille und spielt sich immer im Jetzt ab.

Die Befindlichkeit des Hier und Jetzt kann man einüben. Als Kind war das Leben im Hier und Jetzt natürlich, als Erwachsene müssen wir es möglicherweise wieder lernen. (Bild 18) Die bekannteste Methode dazu ist das Entspannen.

Lassen Sie sich von der Ironie des Bildes nicht verführen. Entspannen bedeutet nicht nach dem Glas greifen oder ins Bett liegen, sondern die Aufmerksamkeit nach innen zu richten, den Denkautomaten auszuschalten und die Gefühle fliessen zu lassen. Dazu bestehen heute viele Methoden und Angebote, die Sie vermutlich kennen und praktizieren und die ich deshalb gar nicht erwähnen und bewerten will.

In der Ruhe, im Dolce-far-niente, das der Superaktive bestimmt als unangenehm und fremd empfinden wird, kommt der Mensch ins Lot (Bild 19). Der Bauch redet am liebsten aus dieser Stille.

Wer willentlich und schlagartig in den Jetzt-Modus wechseln kann, gewinnt doppelt. Nicht nur wird die Intuition wacher, sondern ich begebe mich auf den Weg vom Ich zum Selbst.

Sie erinnern sich an die Maslow-Pyramide? Über den körperlichen Grundbedürfnissen stehen die Bedürfnisse nach Sicherheit und darüber die sozialen Bedürfnisse nach Kontakt. Im Wachstumsprozess nach oben folgen in der Pyramide die Bedürfnisse nach Prestige und Anerkennung und Macht, die sogenannten Ichbedürfnisse. Wenn diese befriedigt sind, meldet sich das Selbstverwirklichungsstreben. Das Selbst ist – so C.G. Jung – der innerste Kern der Persönlichkeit, wo die wahre Identität sitzt, das Eigentliche.

Lassen Sie mich den Unterschied von Ich und Selbst kurz erklären! Das Ich sagt: Ich will, ich muss, ich kann, ich darf nicht. Das Selbst ist reines Sein. In der Entspannung kommt das Ich zur Ruhe und wird zum Selbst. Die Intuition schöpft aus dieser Essenz, eine träfe Umschreibung, wie sie vom Esalen-Institut in Kalifornien, wo Maslow lehrte und ich auch zur Schule ging, gemacht wird. Die Essenz (von lateinisch esse = sein) repräsentiert das Konzentrat, wir könnten auch sagen, die Quintessenz der Persönlichkeit. Sie steuert das Leben wahrhaftiger als der Verstand und die Gefühlsmuster. Und entscheidend: Sie ist die Sendestation von echten Intuitionen.

Intuitionsbotschaften stammen aus dieser Tiefe und werden erst hör- oder fühlbar, wenn die vielen Ichs (wir sind viele!) zurückgelassen werden. Workaholics und Burn-out-Gefährdete haben diesen Zugang meist nicht. Aber Sie können ihn gewinnen, indem sie Entspannung trainieren, wie wir es in Übung 2 empfehlen. Es gibt Menschen, die erleichtern sich diese Konzentration nach innen mit Musik, zum Beispiel mit tibetanischen Klangglocken. Auch wir bieten im Buch diese Hilfe an. Für die entsprechenden Übungen können Sie den gesprochenen Text der Anleitung mit dem Musikhintergrund auf dem Internet unter www.intuitions-training.ch (Bild 20) abrufen.

(Bild 21) Das Zurückdrehen des Verstandes mithilfe der Entspannung ist der Kardinalweg im Zugang zu Intuitionsbotschaften. Ein zweiter Zugang kommt nun hinzu: Das Vorstellungsvermögen. Ich nenne diese Hilfe „Imagination“.



Dritte Voraussetzung: Imaginativ leben

Auch dieser Lebensmodus ist nicht selbstverständlich und nur bedingt in der Berufswelt gefragt. Facts und Figures sind gefordert. Statistische Beweise und wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse müssen her. Allerdings beginnt sich neuerdings ein Wandel abzuzeichnen: „Nur nicht zuviel denken“ proklamiert die NZZ am Sonntag (15. 4. 2012). Offenbar werden die geschilderten Zusammenhänge zwischen Kopf und Bauch erst ernst genommen, wenn sie von der Wissenschaft abgesegnet sind. Neurologen haben kürzlich nachgewiesen, dass unbewusste Gefühle Millisekunden schneller als der Verstand unsere Entscheidungen beeinflussen. Nur Achtung! Gefühle können trügen und sind Intuitionen nicht gleichzusetzen. Wenn wir also den Verstand ausschalten, erscheinen nicht nur Intuitionen, sondern eine Riesenkorb von Gefühlen. Aus dem Gefühlskomplex müssen die wahren Intuitionen wie Gold beim Goldwaschen ausgesiebt werden.

Das Medium, das die Abnabelung des Verstandes und das Zulassen von Intuitionen erleichtert, heisst Tagträumen (Bild 22). Phantasien haben und kreative Bilder zulassen ist uns schon früh, spätestens in der Volksschule, ausgetrieben worden. Denken, nicht Träumen! Später wurde Imaginieren jedoch unter dem Titel „Kreativität“ plötzlich wieder gefordert. Nun nannte man Imaginieren vornehmer „kreativ visualisieren“ (dazu im Buch die Übung 6), um das alte Tagtraum-Verbot nicht wieder aufzuwecken.

Wir wissen, „ein Bild ist mehr als ein Bild“ (Buchtitel eines Medien-Pädagogen und gleichzeitig meines Freundes Christian Doelker). Ein Bild kann tausend Worte ersetzen, und ein Bild enthält versteckte Informationen, die wir auf Anhieb gar nicht erfassen und nur unbewusst wahrnehmen.

Eigentlich müssten wir Profis der Bildsprach sein, leben wir doch in einer Bilderwelt. Jedoch werden wir laufend von Bildern überflutet und sind mit so vielen, konsumierten Bildern vollgestopft, dass wir selbst nicht mehr eigene Bilder produzieren. Die Intuition bedarf jedoch der Eigenproduktion an Phantasie, denn nur in den eigenen, persönlichen Imaginationen verstecken sich Intuitionsbotschaften.

Deshalb ist es wichtig, wieder zu lernen, mit offenen Augen zu träumen (auch dazu haben wir im Buch Übungen). Die Aufmerksamkeit ist dabei sowohl nach innen wie auch nach aussen gerichtet. Entspannt nehmen wir alle Meldungen aus der Tiefe und aus dem Umfeld wahr und achten auf Signale, die eine intuitive Erkenntnis sein könnten. Das kann ein Gesprächsfetzen sein, ein gelesenes Wort, ein inneres Phantasiebild, ein Mensch, der  mir begegnet und eine Assoziation auslöst, kurz alles, was auftaucht. Je mehr, desto besser. Hier gilt die alte Brainstorming-Regel: je grösser der Bildhaufen, je reicher die Anregung, desto eher die Chance, dass eine Meldung aus der Tiefe dabei ist.

Das könnte auch gerade jetzt  passiert sein. Zum Beispiel sind Sie mit einer lebenswichtigen Frage angereist wie: Soll ich mich von meinem Partner trennen? Soll ich ein eigenes Haus kaufen? Soll ich meine Beziehungsstörung mit dem Chef klären? Und siehe da, plötzlich stellt sich eine Antwort in Form eines inneren Wissens ein.

Nehmen wir an, Sie sind meinen Ausführungen nicht so akribisch gefolgt. Sie haben sich nicht gefragt: Ist das, was der da vorne sagt, richtig? Macht er Denkfehler? Nein, Sie haben sich zurückgelehnt und nur halbwegs zugehört. Gut! So blieb die Denkmaschine ausgeschaltet. Sie haben sich berieseln lassen – dazu ist auch der frühe Morgen sehr geeignet –  und haben der Phantasie Flügeln verleiht (Bild 23a). Und Sie haben auf einer höheren Ebene gleichsam in die Wolken abgehoben

Wunderbar! Beim halbwegs Zuhören ist dann eine Antwort auf Ihre pendente Frage als plötzliches Aha aufgetaucht, vielleicht angestossen durch ein Bild, durch eine Aussage, vielleicht nur durch ein Wort. Zwischen dem Auslöser und dem Inhalt des Aha bestand möglicherweise gar keinen Zusammenhang zu Ihrer Fragestellung. Die Einsicht ist wie aus dem Nichts aufgestiegen. Die Lösung kam aus einer anderen Bewusstseinsschicht (Bild 23b).

Unser Buch gibt Ihnen für solche Phantasie-Reisen viele Anregungen. Ein kleiner Trick, der nicht im Buche steht, kann ihnen helfen, den ständig schwatzenden Verstand stillzulegen und auf Imaginationsreisen zu gehen. Wenn Sie Ihren Ruheort aufgesucht haben und entspannt sind, stellen Sie sich einen riesigen Vogel vor, der Sie zu einer Reise abholt. Sie setzen sich auf seinen Rücken, heben ab und lassen sich irgendwohin tragen: auf eine Bergspitze, in eine Höhle, an den Arbeitsort in 10 Jahren oder in einen Werkraum, wo Sie ihr Problem von Spezialisten behandeln lassen.

Ich weiss, rationale Menschen werden sich dagegen sträuben und einwenden: „Kindergarten“ (höre ich des Öfteren), „Eso-Gaga“ (wie ein Kursteilnehmer meinte). Firlefanz, Gugus werden Ihnen Ihre inneren Warnstimmen zurufen. Aber glauben Sie mir, dieser Umweg über die Imagination hilft. „Träume und Schäume“ sind das Urmaterial oder der fruchtbare Boden für Intuitionsmeldungen aus dem Selbst. Es lohnt sich, diesen „Teig“ zu kneten (Bild 24).

Nun folgt die hohe Kunst: Aus dem Knetmaterial das zu erkennen, was wirklich Intuition ist. Oder mit einem anderen Bild ausgedrückt (Bild 25), den dicken fetten Fisch an die Angel zu kriegen, der die Antwort aus der Tiefe auf die Kern-Frage gibt. Zu diesem Fisch gelangt man mithilfe einer neuen Instanz: „dem kleinen Professor“.



Vierte Voraussetzung: Auf den kleinen Professor hören

Der Ausdruck stammt aus der Transaktionalen Analyse (siehe unser Buch: Sich und andere führen, 15. Auflage). Sie unterscheidet beim Menschen ein Erwachsenen-Ich, ein Eltern-Ich und ein Kind-Ich und gliedert das Kind-Ich dreifach, zuerst in ein angepasstes, dann in ein rebellisches und schliesslich in ein intuitives, freies oder kreatives Kind-Ich. Diese Art von Kind-Ich begegnet uns bei Kindern, wenn diese mehr merken und mehr wissen als wir Erwachsene und wenn sie Situationen so klug und präzis interpretieren, dass wir darüber nur staunen können. Diese intuitive Begabung wird später leider vom Schulwissen und logischen Denken verschüttet.

Jeder hat den kleinen Professor jedoch als versteckter Schatz in sich angelegt und kann ihn freischaufeln.  Dazu muss er ihn, bildlich gesprochen, wie ein Schmuck in der versunkenen Titanic aus der Tiefe heraufholen. Dieses Bild diente uns als Metapher für die 22 Intuitionsübungen. Wir betrachten sie als Tauchgang (Bild 26) und gliedern sie in 5 Phasen: Zum Schwimmen bereit! Ins Wasser! Tauch ab! Tauch tiefer und Tauch auf!

Die Schatzkiste mit dem kleinen Professor ist also im Schlamm und Dreck der Tiefe vergraben. Mit der Übung 17 und 18 (Bild 26) in der Phase „Tauch tiefer!“ versuchen wir diesen Dreck wegzuschaffen. Er hat zwei Namen: Moralapostel und Schatten.

(Bild 27) Moralapostel ist der erhobene Finger des kritischen Eltern-Ichs, der warnt: Das darfst Du nicht! Das gehört sich nicht! Wir alle tragen eine riesige Pandora-Büchse solcher Verbote mit uns herum. Sie ist zusätzlich gefüllt mit moralischen Leitsätzen, die wir im Laufe des Lebens, meistens schon in früher Kindheit, gesammelt haben: Sei stark! Sei fleissig! Sei höflich! Sei kompetent! Mach keine Fehler! An diese Antreiber sind wir gekettet (siehe Bild), ohne dass wir es merken. Wir nennen diese inneren Befehle auch Lebensdrehbuch oder Miniskript (siehe Buch „Sich und andere führen“).

Der kleine Professor versteckt sich hinter solchen Formeln und gibt leider diesen alten Parolen stets den Vortritt. Verhängnisvoll wird es, wenn wir solche verinnerlichten Leitsätze für Intuitionsmeldungen halten, weil sie als Antreiber viel rascher und häufiger bemerkbar machen als die echten Intuitionsbotschaften.  

Deshalb tun wir gut daran, diese Pappenheimer unserer Wertewelt kennen zu lernen. Ein Beispiel: „Man läuft nicht einfach davon und hält durch“, sagt die innere Eltern-Ich-Stimme, wenn ich daran bin einen Stellenwechsel zu überlegen. Der kleine Professor jedoch wüsste es besser, aber seine Stimme ist leise und zaghaft. Er flüstert: „Die Zeit für einen Wechsel ist für Dich jetzt reif.“ Oft verschliessen wir Ohren und Augen, wenn das Selbst das Mir-Gemässe und das Für-mich-Wahre verkündet. Wir wischen das innere Wissen aus dem Selbst als irrelevant einfach weg und lassen uns vom Moralapostel leiten.

Es gibt noch einen zweiten grossen Dreckhaufen, der die Schatzkiste zudeckt. Wir nennen ihn den Schatten (Bild 28). Hier speichern sich alle Wertsetzungen und Vorurteile, mit denen der Mensch die Welt in Gut und Böse einteilt. Wir kommen dem Schatten am ehesten auf die Spur, wenn wir alle jene Menschen in der Vorstellung vor uns hinstellen, die wir nicht mögen, die stören und die wir für unmöglich halten oder gar hassen. Der Mensch schiebt alles, was er ablehnt, von sich weg in die Distanz und in den Keller des Unbewussten.

Dazu zwei Beispiele: Mir begegnet ein Schlendrian. Die Nacken-Haare sträuben sich. „Ein unmöglicher Typ“, sage ich mir, „so bin ich auf keinen Fall“. Oder eine Mitarbeiterin nervt mich, weil sie sich wie eine Mutter Theresa allen und allem annimmt. „Gar nicht mein Stil“, denke ich, „wie kann man nur so altruistisch sein“.

Nun wissen wir – wiederum wissenschaftlich erwiesen – dass jeder in sich einen geheimen „Eichmann“ verbirgt. (Sie erinnern sich an den berüchtigten KZ Leiter im Holocaust.) Das Milgram Experiment oder das Stanford Prison Experiment belegen, warum normale Menschen zu Teufeln werden, die Mitmenschen sadistisch foltern, wenn man ihnen dazu straflos die Chance gibt. Damit ist bewiesen, dass all das Negative, das wir in der Welt an anderen Menschen beklagen, auch in unserem psychischen Keller sitzt und unser Denken und Handeln unbewusst lenkt.    

(Bild 29) Die Ausmistung dieses grausigen Kellers ist eine Lebensaufgabe. Jedoch kann man damit jederzeit beginnen, je früher desto wirkungsvoller. Versuchen Sie einmal, sich unter den dunklen Gestalten im Keller umzusehen und sich zu fragen, ob  diese miesen Gestalten vielleicht auch einen positiven Aspekt haben.

Jener Schlendrian, der auf die Nerven geht, hat doch auch sein Gutes. Er lässt Fünfe grade sein. Manchmal hilft diese Nonchalance auch weiter. Oder diese klebrige, von Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft triefende Mitarbeiterin, die zur Nervensäge geworden ist, könnte eine praktische Helferin werden, wenn sie ernst genommen und sinnvoll eingesetzt würde. Wer die Arbeit mit dem Wertequadrat kennt, weiss, dass diese Umdeutung möglich ist und die Einstellung ändert.

Zusammenfassend können wir die Goldwaschübung so auf den Punkt bringen: Wer seine fixen Ideen kennt, wer seinen Schatten erforscht hat, gerät weniger in die Falle der lautstarken inneren Besserwisser und hört die Stimme des kleinen Professors besser (Bild 30).



Zum Schluss sind wir wiederum bei der zweiten Annahme angelangt, mit der Professor Gigerenzer in seinem Buch „Bauchentscheidungen“ aufgrund von Recherchen behauptet, dass Bauchentscheidungen besser ausfallen als jene, die mit viel Denk-Aufwand an analytischer Abklärung gefunden werden. Aber Achtung! Gehen Sie mit Begriff Bauchentscheidungen vorsichtig um. Der Bauch repräsentiert nicht etwa die Gefühlswelt und damit die zweite Dimension. Intuitives, inneres Wissen stammt aus der dritten Dimension, in der weder logische Gesetze regieren, noch sich egogetriebene Gefühle tummeln.  

Hand auf Herz! Jeder kennt doch dieses aus dem Nichts aufsteigende Aha! Wie haben Sie denn Ihren wahren Partner gefunden? Wie Ihre erfüllende Berufstätigkeit? Wie Ihr wirkliches Daheim? Oder lapidarer: Wie Ihre Garderobe? Ferienfahrten? Ihr Hobby?

Natürlich könnte man jetzt noch ergänzen, was wir bis bislang übergangen haben. Frauen fällt Intuition leichter als Männern. Gewisse Experten behaupten sogar von Geburt auf. Meine Erfahrungen in Unternehmen haben das Gegenteil bewiesen. Männer entscheiden genauso intuitiv wie Frauen, nur stehen sie vielleicht nicht immer dazu und sind der Intuition gegenüber kritischer eingestellt.

Sie haben vielleicht festgestellt, dass Bruno Peyer immer Männer als Intuitionsempfänger zeichnet, wie zum Beispiel hier (Bild 31). Das liegt daran, dass die Bilder aus früheren Büchern stammen und an Manager gerichtet sind. Die Lichtquelle der Intuition (Bild 32) hat nach meiner Meinung nichts mit der Genderfrage zu tun.

(Bild 33) Ob Mann oder Frau, jeder und jede kann die vier besprochenen Voraussetzungen für die Verfeinerung des Intuitionsempfangs in gleichem Masse erfüllen:

1.  Das eigene Leben leben. Auf sich selbst schauen.

2.  Sich selbst Raum geben.

3.  Der Phantasie Flügel verleihen.

4.  Auf den kleinen Professor hören.

Auf diesem Weg ist Ihnen das Buch eine praktische Hilfe. Man kann es wie ein Rezeptbuch benützen. Einmal dies, einmal jenes lesen, einmal dies, einmal jenes ausprobieren.

(Bild 34) Leider sind die 4-Tages-Kurse „Life Design“ und „Work-Life-Balance“, die in Südfrankreich 10 Jahre lang stattfanden und in denen die Übungen  getestet wurden seit 2 Jahren abgeschlossen.

Hingegen besteht noch der 2jährige Ausbildungsgang „Management-Coach-Ausbildung“ (MCA Bild 35), wo ebenfalls Übungen aus dem Buch praktiziert werden. Der Kurs wird seit 2010 vom Co-Autor des Buches Thomas Brandenberger geleitet. Für den Herbst 2012 ist sein dritter Kurs (Nr. 18) ausgeschrieben unter www.brandenberger-beratungen.ch . Thomas Brandenberger ist auch der Autor der gesprochenen Übungstexte auf www.intuitions-training.ch

Aber – wer weiss - vielleicht sind Ihnen die 22 Übungen auf 180 Seiten zu mühsam, vor allem weil das Training nicht ein einmaliger Jakobsweg, sondern ein lebenslanges Unterwegs-Sein bedeutet.

Ich biete Ihnen eine gute Alternative an (Bild 36). Dieses Buch hier: Peter Müri – „Den Bauch reden lassen“. Wenn Sie eine klare Fragestellung (keine Entweder-oder-Frage) haben, brauchen sie nur blind und intuitiv drei aus 22 Archetypen auszuwählen. Das Buch gibt Ihnen eine klare Antwort, so unglaublich es tönt.

Wenn Ihnen auch das noch zuviel ist, können Sie als Alternative im Internet auf www.problemcrash.ch gehen und der dortigen Anleitung folgen (Bild 37).





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