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Donnerstag, 21. Februar 2008

Intervisionsgruppe als Beratungsgruppe

An anderen Orten ist dieses Verfahren bekannt unter dem Namen kollegiales Teamcoaching (in Unternehmen), Balintgruppe (bei Ärzten), ERFA-Gruppe (bei Fachkollegen), Quality Circles (bei Lösung aktueller Probleme). Ich selbst habe während zwanzig Jahren eine Beratungsgruppe für Führungskräfte (BGF und MPG) angeboten (32 Abend-Sitzungen in 2 Jahren mit 4 Weekends). Der folgende Text stammt aus diesen Kursen.


In einer Beratungsgruppe steht nicht die Stoffvermittlung oder das Üben einer Trainingssituation im Vordergrund, sondern das Gruppen-Lernen an konkreten Situationen. Man könnte die Beratungsgruppe auch Teamcoaching nennen im Sinne von: Die Gruppe coacht ein Gruppenmitglied, das ein Frage, ein Problem, einen Konflikt oder eine Krise einbringt. Die Gruppe als Ganzes reflektiert die Situation (Umfeld, Bedingungen, Vorgehen, Verhalten) sowie die Rolle des Betroffenen und beurteilt den Zusammenhang aus der persönlichen Perspektive. Das Blickfeld des Betroffenen wird dadurch erweitert. Die Rückmeldungen befähigen ihn, der Situation neu zu begegnen und neue Lösungsansätze zu entwickeln. Die Gruppe animiert ihn, die Einsichten in konkrete Verhaltensschritte umzusetzen.

Der Lerneffekt für den Betroffenen entsteht aus den Fragen und Rückmeldungen der Gruppenmitglieder, die so angelegt sind, dass sie die Selbstentwicklung des Betroffenen fördern (Coaching-Stil). Die Beratenden gewinnen durch die vertiefte, mehrdimensionale Betrachtung des Vorfalles ebenso neue Erkenntnisse für sich selbst und können diese auf das eigene Arbeitsfeld anwenden (Huckepack-Verfahren). Schliesslich werden aus den ausgetauschten Erfahrungen Grundsätze und Verhaltensregeln abgeleitet und theoretische Zusammenhänge hergestellt, die helfen, die Komplexität ähnlicher Vorgänge zu vereinfachen und besser zu verstehen (Verdichtung zu einer Theorie oder zu einem Modell mit Transfer in die Praxis).



Struktur und Organisation der Beratungsgruppe

Es ist hilfreich, einen Moderator zu bestimmen. Er schafft die Voraussetzungen für eine offene Lernatmosphäre und steuert die Gruppe durch die einzelnen Phasen der Entwicklung. Er fordert und schützt die Teilnehmer und achtet auf die Einbettung der Schlussfolgerungen und Empfehlungen in die aktuelle Umfeldkontext.


Ablaufschema einer Sitzung

Der folgende Ablauf ist als Leitfaden zu betrachten, der den Situationen angepasst werden muss.

a) Der Teilnehmer stellt kurz seine vorbereitete Führungssituation vor. Es kommen nur wirklich erlebte Situationen in Frage.

b) Die Beratungsgruppe macht sich ein Bild der Situation (Imagination) und holt mit Verständnisfragen (keine Pseudo-Informationsfragen) ergänzende Informationen ein.

c) Jeder Teilnehmer prüft, wie die Schilderung der Situation bei ihm ankommt (Gefühls- und Intuitionsebene) und meldet seine Befindlichkeit an den Problemsteller zurück.

d) Der Problemsteller nimmt die Rückmeldungen offen entgegen, ohne sich zu erklären und versucht, dank den Zusatzinformationen neue Perspektiven über die Sachlage zu gewinnen (Ablösungsphase).

e) Die Gruppe prüft gemeinsam, die Fragestellung vom Fragesteller ablösend, wo die Kernproblematik liegt und imaginiert den Zusammenhang, die Wurzeln und die Ressourcen des Kernproblems

f) Jeder Teilnehmer überlegt sich für sich, wie er selbst in der erfassten Situation denken und handeln würde und teilt seine subjektiven Ideen mit.

g) Die Ideen werden nach verschiedenen Gesichtspunkten erörtert und von verschiedenen Seiten beleuchtet und zu einer Handlungsstrategie verdichtet (Neukalibrierungs-Phase).

h) Es werden Modelle und Theorien herangeholt und erklärt, die helfen, neue Sichtweisen zu vermitteln oder Auswirkungen und Randbedingungen zu erkennen.

i) Der Problemsteller nimmt Stellung zu den Vorschlägen und entscheidet sich für ein praktisches Vorgehen. Er erarbeitet mit der Gruppe ein Prozess-Design für die Umsetzung der Entscheidung in die Praxis (Implementierungsphase).

k) Jeder Gruppenteilnehmer formuliert für sich die Konsequenzen und Erkenntnisse, die er aus der Beratung des Kollegen gewonnen hat und legt sich auf praktische Realisierungsmassnahmen fest (Lern-Transfer).

l) Die Sitzung wird einer mehrdimensionalen Analyse unterzogen, die wiederum Erkenntnisse auf der Ebene der Methodik und Zusammenarbeit ergibt (Prozessanalyse).

m) Zu Beginn der nächsten Sitzung werden die Realisierungserfolge bzw. -misserfolge kommuniziert und ausgewertet und das methodische Vorgehen aufgrund der Ergebnisse der Prozessanalyse der letzten Sitzung geplant

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